Amphi Festival 2019

Marcel

XV. Amphi-Festival, 20.-21.07.2019, Tanzbrunnen / Köln

Mehr als 12000 Anhänger der schwarzen Szene feierten ausgelassen am Kölner Tanzbrunnen mit ihren Lieblingsbands, unter anderem Blutengel, In Extremo, Das Ich, Solitary Experiments und Lord Of The Lost. Auch das Wetter spielte mit – bis auf ein paar kleine Regenschauer am Samstag – und so wurde das 15. Amphi Festival auch in diesem Jahr wieder ein voller Erfolg.

Samstag, 20.07.2019

Zunächst sah es für den Samstag wettertechnisch alles anderes als gut aus – Unwetterwarnungen standen im Raum und es war sogar im Gespräch, ob das Festival eventuell unterbrochen werden muss. Zum Glück bewahrheiteten sich die düsteren Vorhersagen nicht und so konnte doch alles planmäßig ablaufen – dem Himmel sei Dank!

Der Einlass mit Bändchenausgabe konnte am Samstag wie geplant um 10 Uhr morgens öffnen und die Besucher strömten bereits in Scharen auf das Gelände. Wer am Freitag schon vor Ort war, konnte sein Bändchen auch schon einen Tag vorher abholen, denn auch am Pre-Amphi-Freitag ist in Köln einiges geboten: So gab es das ebenfalls von den Amphi-Veranstaltern angebotene, legendäre „Call The Ships To Port“-Event auf der MS RheinEnergie (Partyschiff), in diesem Jahr mit Live-Konzerten der Bands Mesh, Solar Fake und Diorama. Diese zusätzliche Party, bei der die separat erhältlichen Tickets auf 1333 Stück limitiert sind, war allerdings schon seit Monaten ausverkauft!

Besucher

Direkt hinter dem Einlass befand sich das Info-Zelt, eine Anlaufstelle, an der die Besucher z.B. die stylischen Amphi-Wasserflaschen für 2 Euro pro Stück kaufen konnten, oder auch mal das Handy laden. Der offizielle Amphi-Merchandise-Stand war direkt daneben und dort gab es T-Shirts und Taschen, bedruckt in verschiedenen Designs mit dem diesjährigen Line-Up. Wie in den Vorjahren befanden sich neben dem Zugang zum Theater wieder die Schließfächer, in denen Besucher für 1 oder 2 Euro (pro Schließvorgang) einige ihrer Habseligkeiten verstauen konnten.

Bis zum Beginn um 11 Uhr war noch etwas Zeit und so konnte man sich mit Hilfe des Programmheftes einen Überblick über das Gelände verschaffen. Neu war in diesem Jahr das Irish Pub am großen Händlerzelt. Außerdem wurde erstmalig ein „Pfandzelt“ eingerichtet, um Pfandbecher schneller abgeben zu können. Ansonsten gab es wie in den Vorjahren neben etlichen Getränkeständen verschiedenste Buden mit Pizza, Currywurst und Pommes, Reibekuchen mit Apfelmus, Leberkässemmeln und Krustenbraten, Wraps, Crêpes, Gyros und Burger, und natürlich auch Alternativen wie vegane Burger oder Hotdogs, so dass niemand auf dem Gelände (ver)hungern musste. Lebkuchenherzen, Slushies, Cocktails und Kaffeebar rundeten das kulinarische Angebot ab. Darüber hinaus gab es selbstverständlich wie immer viele Händlerstände und das große Händlerzelt mit szenetypischer Kleidung, Accessoires und Taschen sowie Merchandise-Artikeln und natürlich Musik. Zum Entspannen konnte man sich auf der Met-Insel oder in der Strandbar niederlassen. An verschiedenen Stellen auf dem Gelände gab es Trinkwasserspender, an denen man mitgebrachte oder gekaufte Flaschen kostenlos nachfüllen könnte. Ein toller Service!

Wie im Vorjahr fanden die Konzerte verteilt auf drei Bühnen statt: Die große „Main Stage“ am teilweise überdachten Tanzbrunnen, die „‚Boots & Braces‘ Theater Stage“ im daneben liegenden Theater und die „Orbit Stage“ auf der MS RheinEnergie. Dieses Jahr war der Rhein gnädig und so konnte die MS RheinEnergie endlich wieder auf der „richtigen“ Seite des Rheins am Kennedy-Ufer anlegen – das bedeutet, die Orbit Stage war in wenigen Minuten zu Fuß zu erreichen und so dürfte den Besuchern der Wechsel zwischen den verschiedenen Locations wieder leichter gefallen sein als in den Vorjahren, wo das Schiff wegen Niedrigwassers auf der gegenüberliegenden Seite anlegen musste und deshalb nur per Shuttle-Bus oder längerem Fußmarsch zu erreichen war. Man kann auch einmal Glück haben!

Massive Ego

Das Moderatoren-Dreigestirn, bestehend aus dem Kriminalbiologen Dr. Mark Benecke, Jens „Puppekopp“ Domgörgen und Amphi-DJ Oliver Klein, führte die Besucher unterhaltsam durchs Wochenende.

Pünktlich um 11 Uhr eröffnete Amphi-Moderator Dr. Mark Benecke das Festival auf der Main Stage und kündigte sogleich den Opener Seelennacht an. Frontmann Marc Ziegler, der sich nach Aussage Beneckes neben Romantic Goth auch in der Steampunk-Ecke sieht, und sein Live-Keyboarder René Wedekind legten gleich los mit Vorwärts vom aktuellen Album „Gedankenrelikt“. Trotz früher Stunde waren schon jede Menge Besucher vor der Bühne und feierten die Band, die mit vielen Songs vom aktuellen Album (Kracher: Pathfinder) und auch einigen Klassikern (z.B. Fährmann) sehr gut ankamen. Es folgten die Bayern von Erdling, die mit Metal, Rock und NDH erst mal die Gehörgänge durchpusteten und die Fans zum Mitsingen animierten. Die Stimmung um diese Zeit war bereits ziemlich ausgelassen und die Zuschauer freuten sich über Songs wie Erdling oder Mein Element, die Ex-Stahlmann-Gitarrist Neill Freiwald, hier in der Rolle des Sängers, vortrug.

Im gut klimatisierten Theater begannen die Konzerte nach der Anmoderation von Jens um kurz vor eins mit den Electropoppern Logic & Olivia. Der Fan-Club, vorbildlich mit passenden T-Shirts und Bannern ausgestattet, war bereits vor Ort und empfing die drei Musiker aus Sachsen gebührend. Solche Fans wünscht sich doch jede Band! Die Songs wirkten live noch intensiver und flotter als auf dem Album und so ließen sich die Zuschauer von Sänger René Anke, Keyboarder Matthias Trompelt und Drummer Kalle Vogel leicht mitreißen.

Seelennacht

Währenddessen begann es draußen zu regnen, so dass sich die Besucher zu Beginn von Chrom aus Düren etwas dichter als nötig unter dem Sternwellenzelt zusammendrängten. Die beliebten Synthpopper sind immer ein Garant für gute Stimmung, und so war es auch dieses Mal. Mit dem Kracher Regret&Testify starteten Sänger Chris und Keyboarder Tom ihr Set und es folgten zahlreiche Hits, wie z.B. Memories und Down Below. Natürlich ließen sie auch Losing Myself nicht aus, zu dem der Sänger mit der vielseitigen Stimme erklärte, sie würden immer wieder danach gefragt, diesen Song zu spielen, da er zahlreichen Fans so viel bedeutet, aber: „Das machen wir doch sowieso!“

Im Anschluss enterten die Briten von Massive Ego die Theaterbühne. Der exzentrische Frontmann Marc Massive erschien in einem lila Glitzer-Anzug und seine Frisur ist – nun ja – zumindest als außergewöhnlich zu bezeichnen. Der zierliche Gitarrist Scot Collins stand ihm fast in nichts nach, denn der lila Glitzer-Look war bei ihm ebenfalls zu finden. Drummer Oliver Frost setzte ein Statement mit der Aufschrift „vegan freak queer goth scum&ld
quo; auf seinem T-Shirt. Die sympathischen Darkwaver heizten dem Publikum ordentlich ein mit Songs vom kürzlich erschienenen Album „Church For the Malfunctioned“ (z.B. mit dem gleichnamige Titeltrack oder Digital Heroin) und natürlich auch einigen älteren, eindrucksvollen Stücken (For the Blood In Your Veins, I Idolize You). Zwischendurch versuchte sich Scot charmant mit lustigen Sprüchen auf Deutsch, um eine Umkleidepause Marcs zu überbrücken.

Auf der Main Stage begeisterten derweil zunächst die Avantgarde-Rocker Samsas Traum aus Marburg die Zuschauer und danach die mexikanischen Aggrotech-Helden von Hocico.

Aber auch auf der Orbit Stage war einiges geboten: Nach Ash Code und Hearts Of Black Science spielten die schwedischen Frickel-Elektroniker Agent Side Grinder am Nachmittag auf dem gut gefüllten Schiff und unterhielten das dicht gedrängte Publikum mit eingängigen Melodien und einer abwechslungsreichen Show, in der Peter Fristedt beispielsweise ein Tonband über seinen behandschuhten Finger laufen ließ oder einer Metallfeder mit einem Stock schräge Töne entlockte. Sänger Emanuel Åström zeigte sich passend zum Oldschool-Sound im 80er Jahre-Look und Gründungsmitglied Johan Lange stand natürlich am Keyboard. Als besonderes Highlight für die Zuschauer holten die Schweden für ein Duett (Wolf Hour) ihren Kollegen Henric de la Cour mit auf die Bühne, der direkt im Anschluss ebenfalls dort seinen Auftritt hatte.

Lord Of The Lost

Die Dark Rocker Lord Of The Lost enterten die Main Stage um kurz nach halb sechs. Der exzentrische Keyboarder Gared Dirge, der im vergangenen Jahr gemeinsam mit David Hasselhoff auf Tour war, ist bekannt für Überraschungen und ausgefallene Outfits, und so konnte man gespannt sein, für welchen Look er sich dieses Mal entscheiden würde. Wahrscheinlich hat aber niemand damit gerechnet, dass er als Putzfrau verkleidet auftrat und zunächst, mit einem Staubwedel bewaffnet, sämtliche Instrumente auf der Bühne ordentlich entstaubte, bevor das Konzert losging. Vollblutmusiker und Frontmann Chris Harms und die anderen Bandmitglieder Class Grenayde (Bass), Niklas Kahl (Schlagzeug) und π (Pi) (Gitarre) folgten ihm bald auf die Bühne und bestritten ihre energiegeladene Show vor einem begeisterten Publikum.

Im Theater ging es am Nachmittag weiter mit zwei Urgesteinen der Szene: Die belgischen Elektroniker Dive und The Cassandra Complex aus Leeds (England). Ein Höhepunkt für viele Electro-Fans waren auch die nun folgenden Solitary Experiments, die mit zwei Drummern und knalligem Electro-Sound voll auf die Ohren gaben. Die fünf Jungs in roten Hemden und schwarzen Krawatten starteten ihren Auftritt mit dem kraftvollen Every Time, bevor Sänger Dennis Schober kurz und prägnant erklärte: „Wir machen Tanzmusik!“ und: „Das Motto ist einfach: Lasst uns Spaß haben!“. Es folgten einige Hits aus der über 25-jährigen Karriere der Brandenburger, die 1993 mit einem Amiga 500 (die Älteren erinnern sich noch) anfingen, und so feierte das Publikum zu Klassikern wie Delight, Pale Candle Light und Stars oder neueren Songs wie Crash&Burn, die ebenfalls gut einschlugen. Auch die Cybergoth-Fraktion unter den Zuschauern war nun am Start und tanzte links von der Bühne temperamentvoll – insgesamt lief hier eine einzige, riesige Party.

Solitary Experiments

Mit Haujobb aus Leipzig war hier am frühen Abend im Anschluss eine weitere Electro-Band am Start. Im Gegensatz zum vorherigen Konzert schien allerdings weit weniger los zu sein, und zumindest zu Beginn machte das Publikum einen eher verhaltenen Eindruck. Was war da denn los? Vorher zu stark ausgepowert? Dennoch war die Show von und mit Soundtüftler und Multitalent Daniel Myer, der zeitweise unter anderem auch bei Covenant seine Finger im Spiel hat, für einige der Besucher ein besonderes Highlight. Gemeinsam mit Bandkollegen Dejan Samardzic und Live-Member Manuel Richter präsentierte er schräge Elektronik, und es gab unter anderem den Song Letting The Demons Sleep zu hören.

Die Dark Rocker Unzucht, die schon im vergangenen Jahr auf dem Amphi aufgetreten sind, spielten danach schon das letzte Konzert des Tages auf der Theater Bühne.

Während auf der Orbit Stage Pink Turns Blue und die Österreicher Thomas Rainer und Sonja Kraushofer als L’Âme Immortelle den Abend beschlossen, folgten auf der Main Stage circa zur gleichen Zeit die Berliner Blutengel. Oft geliebt und wahrscheinlich genauso oft gehasst, aber zweifellos eine der einflussreichsten Bands der Szene, die auch schon in den echten Charts einige Erfolge verzeichnen konnte und damit grundsätzlich den richtigen Nerv zu treffen scheint. Mit gewohnt aufwendiger Bühnenshow unterhielt Frontmann und Mastermind Chris Pohl gemeinsam mit Sängerin Ulrike Goldmann und Co. die Zuschauer eine Stunde lang mit Klassikern aus der über 20-jährigen Bandgeschichte, vor allem aber mit neuen Stücken aus dem aktuellen, im Februar erschienenen Album „Un:Gott“.

Douglas McCarthy|Nitzer Ebb

Auf der Hauptbühne luden die alten Haudegen von Nitzer Ebb zum Finale. Oldschool Electro war angesagt! Die Engländer um den charismatischen Frontmann Douglas McCarthy sind mit Unterbrechungen seit 1982 aktiv und man kann sie fast schon als lebende Legende bezeichnen – hier waren sie endlich wieder in Originalbesetzung zu sehen! Das durchweg eher ältere Publikum feierte sie enthusiastisch, während der coole Frontmann und seine Kollegen an den Knöpfen und Tasten – Bon Harris, David Gooday und Simon Granger – Songs wie Getting Closer, Let Your Body Learn, und natürlich den absoluten Klassiker Join In The Chant präsentierten. Die lang vermissten EBM-Helden kündigten noch eine Deutschland-Tour im Herbst an, was vermutlich viele Fans entzückt zur Kenntnis nahmen. Mit den zwei Zugaben Alarm und Fitness To Purpose, die seit circa 30 Jahren nicht mehr live gespielt wurden, beglückten sie ein weiteres Mal vor allem ihre „alten“ Anhänger und beendeten ihren Auftritt pünktlich um 22 Uhr – aus Lärmschutzgründen ist das Amphi Festival an diese strenge Grenze gebunden – zumindest was die Konzerte angeht.

Diejenigen, für die es bis jetzt noch nicht genug war, konnten zum Weiterfeiern bis spät in die Nacht entweder die Aftershow-Party auf der MS RheinEnergie mit DJ Alex Wesselsky (Eisbrecher) und DJ Oliver Klein (Amphi Festival) besuchen, oder die Party im Theater mit verschiedenen, bekannten Szene-DJs wie Sven Friedrich (Solar Fake) und Torny Gottberg (Progress Productions), der mit seiner Band Cryo am folgenden Tag spielte.

Sonntag, 21.07.2019

Auch am Sonntag bildete sich eine lange Schlange vor dem Einlass, der pünktlich um 10 Uhr die Tore öffnete. Bereits um diese Zeit schien die Sonne kraftvoll und der Wetterbericht war optimal: Kein Regen heute!

Besucher

Beim Schlendern über das Gelände konnte man etliche Menschen in ausgefallenen, aufwendigen Kostümen bewundern, oder auch ein paar „Promis“ antreffen, denn viele Mitglieder von Bands, die in diesem Jahr gar keinen Auftritt hatten, ließen sich das Event nicht entgehen und gingen eben privat hin. Ein Dauergast auf dem Amphi ist der israelische DJ und Radiomoderator Oren Amram, und auch sonst waren die Gäste recht international. Im bunt gemischten Publikum waren alle Facetten von „schwarz“ vertreten, Classic Goth, Batcave, Romantic, Steampunk, Cyber, Military, und natürlich auch ganz „normal“.

Wie am Vortag standen auch heute wieder zahlreiche Autogrammstunden mit den diesjährig anwesenden Bands auf dem Programm, und die Schlangen davor waren mitunter recht lang.

Die etwas erhöhte Rolli-Tribüne der Main Stage befindet sich auf dem Gelände links von der Bühne, so dass auch Rollstuhlfahrer und andere Besucher mit körperlichen Einschränkungen eine gute Sicht auf die Bühne haben konnten – dort standen auch Stühle für Begleitpersonen bereit.

Hell Boulevard

Auf der Main Stage begann es wieder um 11 Uhr nach der Begrüßung durch den Kriminalbiologen Mark Benecke, der zuvor noch mal eben seinen „Doppelgänger“ aus dem Publikum vorstellen wollte, mit Hell Boulevard. Die morbid geschminkten Rocker sorgten sofort für gute Stimmung unter den Zuschauern und auch an diesem Tag waren zur frühen Stunde schon zahlreiche Fans anwesend. Frontmann vDiva und seine Jungs spielten einige beliebte Stücke wie Bitch Next Door oder Love Is Dead (vDiva: „It’s time for a happy lovesong!“). Hier gab es übrigens auch die wohl beste Coverversion des Tages zu hören, nämlich …Baby One More Time, im Original von Britney Spears – und das gesamte Publikum sang lauthals mit! Mit In Black We Trust beendeten die Goth’n‘Roller ihr Set.

Im Anschluss kündigte Mark Benecke die NDH-Rocker Ost+Front an und erklärte auf Bitten der Band, dass sie nicht „Ost und Front“ und ebenso wenig „Ost Plus Front“, sondern einfach nur „Ostfront“ heißen. Christlich sind sie übrigens auch nicht! Damit ist das auch geklärt! Die „Könige des schlechten Geschmacks, die Blut auf ihren Scheinwerfern haben“ (O-Ton Benecke, auf Wunsch der Musiker) legten gleich los mit Adrenalin vom gleichnamigen Album. Martialisch und blutig geschminkt und mit ebensolcher Bühnendekoration rissen die Berliner um Sänger Herrmann Ostfront das Publikum mit. Katheterschnaps inklusive!

Im Theater wurden die Konzerte des Sonntags von Seadrake eröffnet, die im Vorfeld für einige Irritationen sorgten, da sie wohl wegen bandinterner Querelen kurzzeitig ihren Auftritt und damit versehentlich auf Facebook das ganze Amphi-Festival abgesagt hatten. Sänger Hilton Theissen trat nun mit einem geheimnisvollen, maskierten Keyboarder auf. Zu ihrem Song Lower Than This, der im Original von Gastsänger Frank Spinath gesungen wurde, erschien zur allgemeinen Begeisterung Florian Grey als Sänger mit auf der Bühne. Hier folgten als nächstes die ruhigen Darkwaver Holygram und danach Schattenmann mit kraftvoller NDH.

Fïx8:Sëd8

Mit The Beauty Of Gemina wechselte die Musikrichtung auf der Main Stage zu klassischem Gothic Rock. Der charismatische Frontmann Michael Sele und seine Band spielten einige bekannte Stücke wie End oder das geniale The Lonesome Death of a Goth DJ; außerdem gaben die Schweizer bekannt, dass sie im nächsten Jahr ein neues Album veröffentlichen werden. Man darf gespannt sein!

Auf der Orbit Stage eröffneten Fïx8:Sëd8 aus Wiesbaden den Reigen; Frontmann Martin Sane steckte unter einer bizarren Maske, und so faszinierte er sein Publikum nicht nur mit solidem Dark Electro, sondern auch mit einer abwechslungsreichen Show, in der er sich – passend zum Outfit – psychopathisch gab. Im krassen Gegensatz zu ihm war seine Keyboarderin attraktiv gekleidet und ein echter Blickfang. Mit Jäger 90 gab es im Anschluss minimalen Oldschool-Electro, gefolgt von den Schweden Cryo, die mit melodischem Club-Electro überzeugten.

Unterdessen lieferte auf der Main Stage der gut gelaunte Faderhead aus Hamburg eine beeindruckende Performance ab. Während Mastermind Sami Songs vom aktuellen Album „Night Physics“, z.B. den Titelsong oder Know Your Darkness, aber auch ältere Stücke wie Generation Black vortrug, verbreiteten seine drei Live-Musiker, die um einen großen Tisch voller Elektronik in der Mitte angeordnet waren, fröhlich und lebhaft Partystimmung. Vor allem der Keyboarder auf der linken Seite sprang des Öfteren wie ein Flummi über die Bühne. (Übrigens stand hier auch Von Marengo mit auf der Bühne, der vormittags noch bei Hell Boulevard an der Gitarre zu sehen war!) Zum Abschluss kündigte der Faderhead sein neues Album an: „Asteria“ wird am 4. Oktober 2019 erscheinen und zum Vorgeschmack gab es schon das neue Stück The Other Side Of Doom zu hören.

Welle:Erdball

Bei Welle:Erdball kamen am Nachmittag endlich die Schaufensterpuppen zum Einsatz, die schon den ganzen Sonntag hinter der Bühne auf ihren Auftritt warteten und an denen Frontmann und Mastermind Honey am Morgen noch stundenlang herumsortierte. Er ist eben Perfektionist! Mit c0zmo am Keyboard und den beiden Damen MissMoonlight und M.A. Peel lieferte der Hannoveraner eine abwechslungsreiche Show mit Minimal-Electro im C64-Stil ab.

Eine halbe Stunde später starten im Theater Coma Alliance; Kenner wussten natürlich, um wen es sich hier handelte, aber man hörte doch vereinzelt erstauntes Raunen im Publikum: „Ist das etwa der Sänger von Diary of Dreams?!“ Ja! Und der Frontmann von Diorama! Adrian Hates und Torben Wendt hatten sich nach über 20-jähriger Freundschaft, während derer sie sich immer wieder gegenseitig bei verschiedenen Auftritten und Alben unterstützten, dazu entschlossen, endlich mal ein gemeinsames Projekt in Angriff zu nehmen; dieses tauften sie auf den Namen Coma Alliance und das erste Album, das bereits im vergangenen Jahr erschien, schlug bei den Anhängern beider Bands ein wie eine Bombe. Heiß ersehnt wurde daher ihr Konzert im gut gefüllten Theater, und die – den Stimmen nach zu urteilen überwiegend weiblichen – Fans kriegten sich fast gar nicht mehr ein vor Begeisterung. Torben und Adrian wechselten sich beim Singen ab, während der erste ab und zu ans Keyboard wechselte und der andere dazu Gitarre spielte. Unterstützt wurden die beiden alten Freunde auf der Bühne vom Diorama-Gitarristen Zura Nakamura. Sie spielten zunächst Songs von ihrem gemeinsamen Album „Weapon Of Choice“, z.B. Rroyd oder Starfruit. Als die ersten Töne des Diorama-Songs Her Liquid Arms erklangen, jubelte die Menge euphorisch. Hier musste niemand zum Feiern animiert werden! Als dann auch noch Butterf
ly:Dance
von Diary Of Dreams angestimmt wurde, gab es kein Halten mehr. Nach Coma Supreme, in dem die vielsagende Zeile „birth of a dream“ vorkam und den sie gemeinsam sangen, umarmten sich die beiden Musiker glücklich und dies war mit Sicherheit auch für viele Zuschauer ein Gänsehaut-Moment und Höhepunkt des Tages!

Feuerschwanz

Einen krassen Stilwechsel gab es nun mit der Mittelalter-Spaß-Band Feuerschwanz. Mit anzüglichen deutschen Texten huldigen die fränkischen Rocker um Hauptmann Feuerschwanz wahlweise den Interaktionen mit dem anderen Geschlecht oder dem Alkohol, vornehmlich in Form von Met. Die Stimmung im Publikum war ausgelassen, der Met floss wohl bereits im Vorfeld in Strömen. Die süße „Mieze“ Myu, die als Tänzerin auf der Bühne agierte, heizte den Besuchern zusätzlich ein und brachte der Band verschiedene Requisiten für ihre abwechslungsreiche Show, z.B. ein riesiges Horn oder den Methämmer. Die Zuschauer fühlten sich gut unterhalten und die Klimaanlage im Theater kam schon lange nicht mehr hinterher. Die Erlanger sangen gemeinsam mit ihren Fans Ketzerei und Schubsetanz (ist Rittersport), zu dem es im Bereich mittig vor der Bühne heftig zur Sache ging. „Der Bass muss ficken!“ erklärte Prinz Richard Hodenherz, und das Publikum gab ihm Recht. Garniert wurde die Performance mit derben Anekdoten; der Saal kochte.

Parallel dazu konnte man auf der Hauptbühne zunächst die Londoner White Lies sehen und hören – für viele das Highlight des Tages. Daran anschließend starteten Project Pitchfork mit massiven technischen Problemen, die sie nach dem ersten Song aber wieder einigermaßen im Griff hatten. Auf Festivals herrschen eben erschwerte Bedingungen, da in kürzester Zeit alles umgebaut werden muss und man nicht genug Zeit hat, um alles in Ruhe zu testen. Dem Publikum macht es nichts aus und die Menge feierte fröhlich zu EBM-Klassikern wie Timekiller oder Alpha Omega und auch neueren Stücken, die Sänger Peter Spilles mit Keyboarder Dirk Scheuber und Co. routiniert präsentierte.

Das Ich

Auf dem Schiff bereitete man sich nach den Elektronikern Spark! und einem wüsten Electro-Rock-Punk-Metal-Gewitter von Rabia Sorda auf das Finale mit Das Ich vor – es kam sogar zum Einlass-Stop! Zu viert (Bruno Kramm, Stefan Ackermann, Sven Hegewald, Damian Hrunka) begeisterten die aufwendig geschminkten „Antichristen“ als heimliche Headliner die Zuschauer. Kein Wunder, denn mit Klassikern wie Kain und Abel, Kannibale, Gottes Tod oder Das Destillat gehören die Vertreter der „Neuen deutschen Todeskunst“ seit 30 Jahren zur Speerspitze der Gothic Szene.

Während im Theater nach Janus dort als Letzte die österreichischen Uniformfetischisten Nachtmahr mit ihrem selbst betiteltenIMPERIAL AUSTRIAN INDUSTRIAL“ an der Reihe waren (Bandchef Thomas Rainer stand am Vorabend schon mit seiner anderen Band L’Âme Immortelle auf der Bühne), beendeten die Mittelalter-Rocker In Extremo die Konzerte auf der Hauptbühne. Die Mannen um „das letzte Einhorn“ Micha Rhein spielten beliebte Hits wie Störtebeker, Gaukler oder Quid pro Quo und garnierten ihren Auftritt mit einer fulminanten Feuer-Show. Mit verschiedensten mittelalterlichen und anderen außergewöhnlichen Instrumenten war das Konzert vielseitig und unterhaltsam und des Öfteren wurden die Zuschauer durch knallende Feuerwerk-Effekte erschreckt. Was für ein Spektakel! Der etwas heisere Frontmann bat das Publikum um gesangliche Unterstützung zu frei zu sein, welches dem Aufruf selbstverständlich und ohne zu zögern nachkam. Nach einem kurzen Trip in die Hölle beendeten die Berliner ihren Auftritt mit Sternhagelvoll – gefühlt viel zu früh – pünktlich um kurz vor 22 Uhr, nicht ohne sich zuvor noch ausgiebig bei allen Technikern und Organisatoren im Hintergrund zu bedanken, die – für die Zuschauer nahezu unsichtbar – mal wieder ein perfektes Festival auf die Beine gestellt haben.

Für alle, denen Füße und Rücken noch nicht genug weh taten, gab es auch an diesem Abend noch eine Aftershow Party im Theater mit verschiedenen DJs aus der schwarzen Szene.

Damit ging ein friedliches Festival endgültig zu Ende und es bleibt nur, sich bei allen Beteiligten, sei es Organisationsteam, Techniker, Reinigungskräfte oder Bands, für den reibungslosen Ablauf zu bedanken.

Ach ja: Wir sehen uns wieder, nächstes Jahr am 25./26. Juli 2020!
Der Vorverkauf fürs 16. Amph Festival 2020 startet am 01.08.2019 auf 
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Author: Luscinia

Photos: Copyright by Marcel Kahner

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